Februar 2019

Inhalt im Februar 2019:

  • Erwartungen
  • Bei Gratwanderungen selbst nicht auf der Strecke bleiben
  • Buchtipps:
    Ein sicherer Ort für Rufus
    Mein Monster Ich

Erwartungen

Wunschtraum und Realität prallen oft am Anfang des gemeinsamen Lebens mit einem Pflege-/Adoptivkind ganz hart aufeinander und verunsichern manche Eltern zutiefst. Insbesondere beim ersten Kind und mit dem eigenen Anspruch „alles richtig zu machen“ sind Enttäuschungen vorprogrammiert. Gelassenheit und eine gute Portion Humor helfen hier viel mehr als gutgemeinte Erziehungstipps.


Vor langer Zeit sah ich in einer Zeitschrift einen Witz, den ich seltsamerweise nicht vergaß:
Zwei Mütter gehen mit ihren Kinderwagen spazieren, sagt die eine:
„An der Haustür meines Sohnes wird später einmal Dr. Phil. stehen.“
Fragt die andere „Oh, soll er studieren?“
„Nein, er heißt Drafi Philipp.“


Was kann man erwarten, wenn man ein Kind adoptieren möchte? Was darf man erwarten, was sollte man erwarten und was sollte man besser nicht erwarten? In der Anfangsphase drehen sich viel Fragen um dieses eine Wort. Man kommt dadurch zu intensiven Gesprächen, knüpft neue Kontakte und umgeht oder trifft das ein oder andere Fettnäpfchen.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man bei einer Adoption tatsächlich erst einmal lernen muss, was man erwarten darf – von sich selbst ebenso wie vom Kind.

Uns alle eint, dass wir uns ein Leben mit Kindern gewünscht haben. Viele sind oftmals nach langen Jahren des Wartens endlich Eltern geworden und damit sehr glücklich. Ob unsere Kinder wirklich glücklich sind, müssen wir mit viel Geduld immer wieder im Blick behalten, denn sie haben sich das Trauma der Trennung von ihrer leiblichen Mutter nicht gewünscht. Die Grundlage unseres Glücks sind die enttäuschten Erwartungen unserer Kinder. Es sind Kinder, die dadurch oftmals sehr bemüht und deshalb schnell überfordert sind damit, Erwartungen zu erfüllen, damit ihnen diese Enttäuschung kein zweites Mal passiert.

Hilflosigkeit und Überforderung sind meiner Meinung nach die Hauptgründe dafür, dass Pflege-/Adoptivkinder Dinge tun, die man normalerweise als „Grenzen testen“ beschreiben würde. Meiner Ansicht nach steckt dahinter bei unseren Kindern aber sehr viel mehr, weshalb ich allen Eltern Mut machen möchte, keine „gut gemeinten Erziehungstipps“ anzunehmen, sondern auf ihren Bauch zu hören. Unsere Kinder brauchen Beziehung in Verbindung mit Halt und Sicherheit von Regelmäßigkeiten und Regeln.

Wir haben bei unseren Adoptionen, sowie in der Begleitung anderer Familien, immer mehr erfahren, dass es am Anfang noch nicht so sehr darauf ankommt, welche Regeln die Kinder einhalten sollten, sondern darauf, sich mit den Kindern vertraut zu machen. Sie dabei auch ruhig zu verwöhnen ist nichts verwerfliches, sondern ein Eingehen auf besondere Bedürfnisse. Dies vermittelt mehr Sicherheit (und Geborgenheit) als ein strenges Achten auf die Einhaltung von Regeln.
Gerade Eltern mit älteren Kindern hilft es beim Aufbau der Beziehung, einfach mal mit dem Kind Spaß zu haben und auch ungewöhnliche Bedürfnisse zu befriedigen. Dabei erleben die Kinder ebenso die so dringend gebrauchte Verlässlichkeit, so z.B. wenn Papa bei dem Essen, das das Kind noch nicht probieren möchte, immer den gleichen Quatsch macht.

Bei Freunden von uns wollte das vierjährige Kind über viele Wochen außerhalb der eigenen 4 Wände nur getragen werden. Das war natürlich super anstrengend, aber es hat dabei von seinen neuen Eltern sehr viel Verlässlichkeit, Sicherheit und Verständnis erfahren.

Kinder stellen in der Regel keine Forderungen, um uns zu ärgern. Vielmehr beharren sie auf ihren Vorstellungen (was allgemein als "Grenzen austesten" angesehen wird) meist aus Hilflosigkeit, Unsicherheit und Angst. Sie schützen sich selbst damit, dass sie die Kontrolle behalten möchten.

Grenzen setzen muss man deshalb zwar trotzdem, denn Kinder wollen erleben,

wie verlässlich wir als Eltern sind oder ob sich Beängstigendes wiederholt. Wir haben jedoch die Erfahrung gemacht, dass ein „sanftes Schieben in die richtige Richtung" hier viel besser angenommen werden kann und die Beziehung mehr stärkt als unnachgiebige Konsequenz.

Sich diese „Technik“ anzueignen wird auch später für die Pubertät hilfreich sein! So viel anders als die Eingewöhnungsphase erscheint mir das Verhalten unserer Kinder hier nicht 😉
Kerstin Blank-Bringman 2019

 


Bei Gratwanderungen selbst nicht auf der Strecke bleiben

Wem kommt der Satz "Du musst dein Kind nur bedingungslos lieben ..." nicht bekannt vor?

Pflege-/Adoptiveltern lieben ihre Kinder ganz besonders, denn sie sind in der Regel absolute Wunschkinder. Trotzdem bringen sie viele Päckchen aus ihrem vorherigen Leben mit und einige dieser Erfahrungen lassen sich nicht „einfach weglieben“. Ignoranz, Unverständnis und gleiche Maßstäbe wie für sicher gebundene Kinder lassen den Alltag mit besonderen Kindern oft zum Hürdenlauf werden.

Neben bedingungsloser Liebe brauchen (Pflege- und Adoptiv)Kinder Halt, Sicherheit und die unermüdliche Geduld ihrer Eltern, immer wieder neue Chancen zu sehen und zu gewähren.
Diese (all)täglichen „Baustellen“ kosten Kraft. Offenheit ist eine Gratwanderung und macht „angreifbar“.

Sich emotional nicht angegriffen zu fühlen, funktioniert nicht auf Knopfdruck und ist auch schwer zu erlernen, denn auf der anderen Seite ist unsere Empathie der Schlüssel zum Verständnis unserer Kinder.

In diesem Zusammenhang fällt oft der gut gemeinte Ratschlag, sich selbst nicht zu vergessen, sich auch Auszeiten zu gönnen usw. Über das „Wie“ gibt es Vorstellungen, so unterschiedlich wie Menschen eben sind. Was innerhalb einer Familie dem einen gut tut, kann für den anderen purer Stress sein. Manche Herausforderungen überfordern den einen, den anderen motivieren sie zu Höchstleistungen.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man nur zufrieden mit sich selbst ist, wenn man seine Ressourcen kennt und tatsächlich für sich selbst ressourcenschonend handeln kann. Menschen, die ihre Stärken kennen und zum einen verstehen, was ihnen warum leicht fällt, aber auch warum manches die eigenen Kräfte überfordert, fällt es leichter, aus den immer gleichen Spiralen auszusteigen und andere Wege zu suchen.

Widerstände zu verstehen, zu entlarven und eine zufriedenstellende Lösung zu finden, ist möglich, wenn man die Ursache der „Baustellen“ versteht und lernt, seine eigene Kraft zum Erreichen lohnenswerter Ziele einzusetzen.

Eltern die Ihre persönlichen Stärken kennen und entsprechend handeln sind weniger anfällig für Stress und allgemein zufriedener, egal wie schwierig eine Phase gerade ist. Auf sich selbst und die Partnerschaft zu schauen, gelingt leichter, wenn man sich selbst und seine Stärken kennt und diese für alle „gewinnbringend“ einsetzt. Dies ist auch emotional viel weniger aufreibend als ständig an seinen vermeintlichen Schwächen zu arbeiten.

Weniger angreifbar zu sein, kann man nicht „lernen“. Aber man kann lernen zu verstehen, warum manche Dinge als besonders belastend empfunden werden und andere nicht.

Dazu möchte ich unterstützend beitragen, indem ich unterschiedliche Möglichkeiten anbiete, die ganz persönliche intrinsische Motivation (wieder) zu entdecken. Sie ist die Basis, sich selbst nicht zu vergessen und zu wissen, aus welchen Ressourcen man Kraft schöpft.

Weitere Informationen findet man auf meinen Seiten: familienzusammenhalt.adoptivsinn.de

 

Oder im halbjärlichen Rhythmus als Abendveranstaltung bei der VHS Olpe, zur Zeit mit dem Thema: "Entlarven, was Zeit und Kraft raubt"
weitere Infos: https://www.vhs-kreis-olpe.de/

Kerstin Blank-Bringmann 2019

 


Buchtipps

 

Ein sicherer Ort für Rufus
Jill Seeney

Mit der Geschichte eines Katers, der neu in eine Familie kommt, werden Gefühle und Ängste beschrieben, von denen sich auch Kinder, die neu in eine Familie kommen, verfolgt fühlen können. Hier bieten sich unterschiedliche Gesprächsanregungen und Identifikationsmöglichkeiten. Ziel des Buches ist es, darauf hin zu wirken, dass jeder für sich einen sicheren Platz (Sicherheit innerhalb der Familie) finden kann und dass damit die Ängste kleiner werden können. Mit wenig Text ist das Bilderbuch auch schon für kleine Kinder geeignet und regt ältere zum nach- und weiterdenken an.

Das Begleitheft gibt Anregungen, mit Kindern über dieses Thema ins Gespräch zu kommen und ganz konkret nach einem sicheren Ort zu suchen.

Ich denke, dass sich dieses Bilderbuch nicht nur für Familien, sondern auch in Kindergarten und Grundschule sehr dazu eignet, Verständnis für „seltsames“, unangepasstes Verhalten zu wecken. Konkret ist es im Buch der Kater, der sich komisch benimmt, weil er vor so vielen Dingen Angst hat.

Für die Menschen, denen unsichere Kinder anvertraut sind, bietet diese Geschichte Anregungen, Rückzugsorte für Kinder mit besonderen Bedürfnissen zu schaffen.

Erhältlich ist dieses Buch zur Zeit nur über den Verlag: http://www.roftasns.de/

 

Mein Monster Ich
Catarina Knüvener

Dieses Bilderbuch bietet Kindergarten- aber auch durchaus noch Grundschulkindern einen sehr kreativen Zugang zu ganz normalen Gefühlen, die jeder kennt, aber oft nicht benennen kann. Es widmet jedem „Monster“ eine Seite mit Erklärung, wie es sich im Körper bemerkbar macht.

Als „Monster“ werden hier nicht nur eindeutige Gefühle wie z.B. Traurigkeit oder Schmerz beschrieben. Vielmehr geht dieses Buch sehr humorvoll auf unterschiedlichste körperliche Reaktionen ein, die Kinder nicht bewusst steuern (können). Erklärungen und auch Hilfen bieten Anregungen, sich davon nicht überwältigt zu fühlen. Der Begriff „Monster“ drückt hierbei aus, dass alles, was nicht kontrollierbar ist, sich für Kinder wie ein Monster (das belastet) anfühlen kann.

Das Buch regt dazu an, weiter über die einzelnen „Monster“ nachzudenken, zu sprechen und – wenn nötig – eigene Rituale zu finden, mit besonders belastenden Situationen besser umzugehen. In wie weit ein Gefühl belastet, ist dem jeweiligen Betrachter überlassen und die humorvollen Texte bieten Möglichkeiten, (Gefühls)Spiralen zu durchbrechen und neue Wege zu entwickeln.

Aufgrund der Unterschiedlichkeit der dargestellten Monster fällt es leicht, sich zuerst mit dem zu befassen, was einfach nur Spaß macht, z.B. sich zu überlegen, wie man am besten dem Pups begegnet oder was das Schrankmonster im eigenen Zimmer schon alles gefressen hat.

Schwieriger einzuschätzende „Monster“ sind dann z.B. das Weinen, der Wüterich, der große Hunger, das Schüchtern u.ä.

Dies kann man einfach nur vorlesen oder im speziellen Fall als Gesprächsgrundlage mit seinem Kind nutzen, um zu überlegen, was man tun könnte, wenn eines dieser Monster auftaucht.

Insbesondere Kindern, die oft einfach von Gefühlen überwältigt werden, kann dieses Buch eine humorvolle Anleitung sein, einzelne Gefühle besser wahrzunehmen, zu benennen und – wenn nötig – Hilfe beim Bewältigen zu bekommen. Auf den letzten Seiten des Buches findet man Fragen und Raum, eigene Monster hinzu zu fügen.

Ich finde, dieses Buch bietet sich auch hervorragend als Grundlage für ein Kunstprojekt in Kindergarten oder Schule an, da die Monster alle aus den seltsamsten Formen und Farben entstanden sind und der Anblick ebenso wie das Thema sehr zu eigener Kreativität anregt.

 

Ich nehme am Amazon Partnerprogramm teil und profitiere minimal von Käufen, die über entsprechende Links von meiner Homepage aus getätigt werden. Mit einem solchen Kauf kann meine Arbeit honoriert werden. Danke!
Kerstin Blank-Bringmann

 

Weitere Buchtipps: http://www.adoptivsinn.de/erfahrungen/lieblingsbuecher.html

alle Texte (wenn nicht anders gekennzeichnet) © Kerstin Blank-Bringmann

 

Mit den Jahren runzelt die Haut. Die Seele aber runzelt mit dem Verzicht auf Begeisterung.
Albert Schweizer