Inhalt im Januar 2018:
- Die 5. Klasse - eine ganz besondere Herausforderung
- Vorbereitet sein
- Unsere Verantwortung als Pflege-/Adoptiveltern
- Weiterlesen ...
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Die 5. Klasse - eine ganz besondere Herausforderung
Nicht jeder Schulstart verläuft für Pflege- und Adoptivinder problemlos. Trotzdem bietet die Grundschule vielen noch den geschützten Raum, in dem Kinder sich nach und nach sicherer und zum Teil auch recht erfolgreich bewegen. Eine überschaubare Institution, wenige neue Bezugspersonen und begleitende Eltern ermöglichen die ersten schulischen Erfolge.
Ich kenne viele Kinder, die es trotz einiger Startschwierigkeiten in der Grundschule schaffen, eine Gymnasialempfehlung zu erhalten.
Diese Empfehlung stützt sich in vielen Fällen auf die Leistungen des Kindes in einem überschaubaren Raum, in dem es sich nun sicher und von seinen Eltern (und bestenfalls auch Lehrern) gehalten fühlt. All diese Faktoren sind notwendig, damit Adoptiv- und Pflegekinder ihr Potenzial entfalten können. Es ist schön zu sehen, dass dies gelingen kann.
Die weiterführende Schule wird von Pflege- und Adoptiveltern sehr sorgfältig ausgewählt, denn man ahnt schon, was alles passieren könnte (glücklich die Kinder, die 6 Jahre eine Grundschule besuchen dürfen!)
Und jedes Jahr, spätestens im Januar, kurz vor den ersten Halbjahreszeugnissen der neuen Schule, wird deutlich, wie schwer sich das Kind in die neue Schule einfindet. Ich habe nun schon so oft erlebt, dass gerade das 5. Schuljahr für die ganze Familie eine so große Belastung wird, dass ich denke, es ist wichtig zu wissen, dass man mit dieser Problematik nicht alleine ist.
Das macht die Situation nicht besser, aber vielleicht nimmt es ein wenig den Druck, wenn man weiß, dass es für Pflege- und Adoptivkinder eher „normal“ ist, dass es in der weiterführenden Schule nicht sofort rund läuft.
Kerstin Blank-Bringmann 2018
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Vorbereitet sein
Grundsätzlich kann man sagen, dass beinahe alle Anfangsschwierigkeiten auf einer weiterführenden Schule daher kommen, dass unsere Kinder mehr brauchen als sicher gebundene Kinder. Sie brauchen mehr Halt, mehr Sicherheit, mehr Zuverlässigkeit, mehr Regelmäßigkeit, mehr Struktur und mehr Ansprache – vor allem von Außen.
Das bedeutet, dass sie bei jedem neuen Lehrer in jedem Fach zuerst einmal mit den ihnen eigenen Verhaltensweisen überprüfen, ob der jeweilige Lehrer dazu geeignet ist, diese Ansprüche zu erfüllen. Manche sind es, viele sind es nicht und unsere Kinder sind nicht die einzigen, die dies fordern und brauchen. Das größte Problem besteht hier darin, dass in einer weiterführenden Schule vorausgesetzt wird, dass Kinder selbständig arbeiten können und wollen – je höher die Schulform, desto mehr.
In der Grundschule ist es normal, dass die Kinder „ nur für den Lehrer/die Lehrerin“ lernen und die jeweiligen Lehrer wissen das natürlich. Sicher gebundene Kinder legen diesen Eifer zum Ende der Grundschulzeit tatsächlich ab und sind in der Lage das Lernen emotionsloser und nicht mehr personengebunden anzugehen.
Adoptiv- und Pflegekinder hingegen sind oft bei einem Schulwechsel anfangs zunächst komplett damit überfordert, sich alleine auf den Schulstoff zu konzentrieren. Hinzu kommt, dass jedes Kind natürlich auch innerhalb der neuen Klassengemeinschaft erst einmal seinen Platz finden muss.
Je schneller Kinder sich in einer Klasse und dazu noch beim jeweiligen Fachlehrer sicher fühlen, desto eher können sie wirklich fachbezogen am Unterricht teilnehmen. Deshalb ist ab der 5. Klasse der Lernerfolg unserer Kinder sehr oft komplett abhängig von den pädagogischen Fähigkeiten des jeweiligen Fachlehrers. Diese besonderen Bedürfnisse bilden nicht selten einen extremen Gegensatz zur offensichtlich allgemeinen Annahme, dass Kinder in der weiterführenden Schule wesentlich weniger pädagogische Betreuung und Anleitung benötigen.
Hier ist es sinnvoll, die ersten Elterngespräche dafür zu nutzen, die Bedürfnisse des Kindes wirklich deutlich zu machen! Trifft man auf Verständnis und Offenheit: Glück gehabt! Dies eröffnet viele Möglichkeiten, auch Konsequenzen individuell abzusprechen, denn je „freier“ sich viele Kinder fühlen, desto mehr probieren sie sich aus und desto weniger Kapazitäten bleiben für den Unterrichtsstoff übrig.
Dieses neue Gefühl der „Freiheit“ führt oft dazu, dass die Kinder nicht sehen, was sie selbständig erledigen sollten. Sie sind noch auf der Suche nach Bindung innerhalb der Schülergruppe sowie schlimmstenfalls in jeder neuen Unterrichtsstunde zum jeweiligen Lehrer. Dabei handeln sie größtenteils immer noch im „Grundschulmodus“, mit der Einstellung „wenn der Lehrer nicht sagt, dass ich das tun muss, muss ich das auch nicht tun.“
Dass wir Eltern etwas anderes fordern, ermutigt unsere Kinder nur, die „neue Freiheit“ zu nutzen, um Informationen nicht weiter zu geben und Hefte/Mappen „in der Schule zu vergessen“, damit wir Eltern ihre „Nichtarbeit“ nicht kritisieren können.
Kerstin Blank-Bringmann 2018
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Unsere Verantwortung als Pflege-/Adoptiveltern
Egal, wie alt die uns anvertrauten Kinder schon sind und wie selbständig sie schon sein müssten, wir Eltern müssen trotzdem lange Zeit immer noch:
- Kontrollieren, dass Hausaufgaben aufgeschrieben und auch vollständig gemacht werden
- Täglich oder wöchentlich (je nach Kind) einfordern, dass alle Mappen auf Vollständigkeit (Datum, Inhaltsverzeichnis) kontrolliert, nachgearbeitet und alle Blätter eingeheftet werden
- Die Klassenarbeiten/Tests im Blick haben und mit dem Kind Lernzeiten planen, evtl. frühzeitig für Nachhilfe sorgen
- das „Theater“ ertragen, bis es dann doch endlich die Aufgaben macht, die es vom Lehrer aus „gar nicht muss“
- aushalten, dass wir Eltern „die Blöden sind, die dem Kind mit unnötigen Forderung absichtlich das Leben schwer machen“.
- immer wieder den Unterschied zwischen Grundschule (man lernt für den Lehrer) und weiterführender Schule (Lehrer wirken auf unsere Kinder gleichgültig) erklären
- jedes Mal wieder ganz von vorne anfangen, wenn ein Klassen- oder Schulwechsel notwendig war
… und das nicht selten bis zum Schulabschluss, der oft nur mit diesen Maßnahmen möglich ist, und darüber hinaus.
Dabei ernten Pflege-/Adoptiveltern viel Unverständnis von Lehrern, anderen Eltern (und auch von Arbeitgebern), da sicher gebundene Kinder mit jedem Jahr selbständiger und besser „in der Spur laufen“.
Bei nicht sicher gebundenen Kindern wird es mit der weiterführenden Schule zuerst einmal wieder viel schwieriger, weil es oft lange dauert, bis sie tatsächlich „ihre Spur“ gefunden haben. Sie brauchen uns Eltern dazu, auch wenn das von anderen vielleicht abwertend belächelt wird … und uns Eltern viel Kraft raubt, von der wir dachten, dass sie in dem Alter für unsere Kinder nicht mehr notwendig sei.
Ich wünsche allen, die gerade „mittendrin stecken“ viel Kraft und Geduld – es lohnt sich!
Rückmeldungen und Ergänzungen meiner Erfahrungen gerne an: kerstin@adoptivsinn.de
Kerstin Blank-Bringmann 2018
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Weiterlesen ...
... in den AdoptivSinn Buchtipps:
Hier würde ich zu diesem Thema insbesondere das Buch "Survival Tipps für Adoptiveltern" im Bereich Fachbücher empfehlen.
... in den Erfahrungen, hier vor allem:
"Was Adoptivkindern den schulischen Alltag erschwert"
... und weitere Themen im endlich (hoffentlich fehlerfrei) funktionierenden
Newsletter-Archiv 2016 und Newsletter-Archiv 2017
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© Kerstin Blank-Bringmann
Der Erwachsene achtet auf Taten, das Kind auf Liebe.
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